Automobil

Interview mit Morten Hannesbo, CEO AMAG Group AG

 

«So wie das Thema Diesel in Deutschland abgeht, ist das totale Hysterie und nur Angstmacherei!»

Die AMAG hat 2018 rund 8000 weniger Neuwagen verkauft als 2017. Die Gründe dafür weiss Morten Hannesbo. Im einstündigen Exklusiv-Gespräch äussert sich der AMAG-Chef zudem zu den Themen Energiegewinnung, Diesel, roter Flügel sowie Traum- und Alptraumautos


Interview: Heinz Schneider


Herr Hannesbo, das bereitet Ihnen sicherlich Freude: Aus den Top 10 der Schweizer Verkaufshitparade 2018 grüssen mit Skoda Octavia, Audi A3 sowie den VW-Modellen Golf, Tiguan, Polo und T-Roc gleich sechs Amag-Autos . . .
Morten Hannesbo: . . . bleiben noch vier. Nein, ernsthaft: Wir müssen sehr zufrieden sein. 2018 war kein einfaches Jahr. Alle Marken hatten Probleme, mussten wegen des neuen Verbrauchsmessungsverfahrens WLTP lange Lieferverzögerungen in Kauf nehmen. Das AMAG-Team und die Händler haben diese Aufgaben gemeinsam sehr gut gelöst. Unter schwierigen Bedingungen – sie mussten den Kunden zum Beispiel sagen, dass die Wartezeit für einen VW Polo zehn Monate betragen kann.

 

In der Tat hat der Polo einen schweren Stand. 2018 sind von ihm rund ein Fünftel weniger Einheiten verkauft worden als 2017. Damit fällt er von Rang 4 auf Rang 7 zurück.
Morten Hannesbo: Der Grund sind einzig und allein die Lieferschwierigkeiten.

 

Oder fehlt ihm der Allradantrieb?
Morten Hannesbo: Nein, nicht jedes Auto braucht 4x4. Der Polo ist ein Stadtauto. Wir haben viele andere Fahrzeuge mit Allrad, das Angebot genügt vollauf. Im Übrigen ist Allradtechnik ja auch eine Preisfrage, sie kostet um die 2000 Franken. Nein, die Gründe dafür sind einzig und allein die Lieferengpässe. 2019 steht der Polo wieder an vierter oder fünfter Stelle. Sie werden es sehen.

 

Dafür ist dem VW T-Roc ein Start nach Mass gelungen: Schon im ersten vollen Verkaufsjahr hechtet das Kompakt-SUV in die Top 10.
Morten Hannesbo: Aber wir mussten einen Zwischenspurt hinlegen. In den ersten drei Monaten hatten wir kleinere Anfahrschwächen. Aber damit muss man rechnen. Den T-Roc hat es bislang nicht gegeben, er ist neu im Markt. Wir haben deshalb bei seiner Lancierung auf keine Verkaufskonzepte und auf keinen Kundenstamm zurückgreifen können.

 

Was erwarten Sie 2019 von ihm?
Morten Hannesbo: Nochmals eine deutliche Steigerung. Er sieht cool aus, hat viel Platz, ein Automatikgetriebe und Allradantrieb. Die Kunden mögen das. Zudem wird es von ihm zusätzliche Varianten geben. Ich denke da an den sportlichen «R», der erstmals am Salon Genf zu sehen war.

 

Wie stehen Sie persönlich zum Allradantrieb?
Morten Hannesbo: Auch wenn ich die Technik nicht jeden Tag brauche: Ich kaufe grundsätzlich nur 4x4-Fahrzeuge. Ich liebe den Wintersport – und da gibt es viele Situationen, in denen man ohne Allrad komplett aufgeschmissen ist. Ich höre das von vielen Kunden: Mit Allrad fühlen sie sich auf der sicheren Seite, sie müssen keine Schneeketten mitführen und sind überzeugt davon, dass sie immer gut ankommen.

 

Ein Familienvater liebt natürlich alle seine Kinder gleichermassen. Als CEO haben Sie in Ihrer beruflichen Familie mit Audi, Seat, Skoda und VW gleich vier Sprösslinge. Eine undankbare Aufgabe?
Morten Hannesbo: Vergessen Sie VW Nutzfahrzeuge nicht. Aber nein, ich hab sie alle gleich lieb. Nicht zuletzt deshalb, weil jeder auf seine Art einmalig ist. Um sie zu verstehen, muss man sie aber gut kennen. Es gibt deshalb von keiner unserer Marken ein Auto, das ich nicht selbst gefahren bin. Stellen sie sich vor: Ein Flottenkunde will etwas von mir über Skoda erfahren, und ich weiss keine Antwort. Ein Supergau. Weil ich die Produkte von Skoda so genau kenne, kann ich auch aus eigener Erfahrung und mit bestem Gewissen bestätigen, dass die Marke in ihrer Preisklasse einen hervorragenden Job macht.

 

Im vergangenen Jahr wurden 299 716 Neuwagen verkauft – 4,6 Prozent weniger als 2017 und 15 000 Einheiten von Ihrer Prognose entfernt. Enttäuscht?
Morten Hannesbo: Überhaupt nicht. Wie gesagt hatten alle Marken dieselben Probleme im Schweizer Markt, wir konnten uns früh darauf vorbereiten. Ich bleib optimistisch: 315 000 Einheiten schaffen wir nun halt in diesem Jahr.

 

Im Vergleich zum Gesamtmarkt haben die Amag-Marken überdurchschnittlich viel verloren – Audi 10,9, Seat 4,9, Skoda 6,9 und VW 8,4 Prozent. Was sind die Gründe?
Morten Hannesbo: Über die Lieferschwierigkeiten haben wir gesprochen, davon waren Seat und Audi besonders stark betroffen. Zudem sind verschiedene Verkaufsrenner im letzten Produktionsjahr gestanden. Bei VW ist das der Golf, bei Skoda der Octavia. Die Kunden warten aufs neue Modell, das ist normal. 2019 schlagen wir zurück.

 

Die Diesel-Affäre ebbt in der Schweiz ab, die AMAG hat alle Fahrzeuge umgerüstet. Können Sie das Wort Diesel nach diesen Turbulenzen überhaupt noch hören?
Morten Hannesbo: Unbedingt. Ich fahre privat und beruflich Dieselautos. Dass die Technik derart schlecht geredet wurde, empfinde ich als äusserst unsachlich: Der moderne Selbstzünder ist sehr sauber und sparsam im Verbrauch, eignet sich deshalb ideal für grosse und schwere SUVs oder für Vielfahrer. Es ist sehr schade, dass die Technologie nun per se schlecht geredet wird.

 

Wie sind die weiteren Aussichten für den Dieselmotor?
Morten Hannesbo: Wir kämpfen gegen Windmühlen im Moment. Der Anteil an Neuwagen mit Dieselmotoren ist im vergangenen Jahr um sechs auf dreissig Prozent gesunken. Dieser Negativtrend wird wohl auch 2019 anhalten, sich langfristig aber bei 25 Prozent einpendeln. Die Technologie ist wirklich gut – leider aber auch teuer. Das muss man sich vorstellen: Alleine die neue Reinigungstechnik für den Diesel kostet gleich viel wie der Motor selber. Dafür ist die Technologie dann aber wirklich sehr, sehr sauber. Für Vielfahrer oder eben in einem grösseren SUV wie dem VW Touareg gibt es nichts Vergleichbares.

 

Wie denken Sie darüber, was aktuell in Deutschland abgeht beim Thema Diesel? Beispielsweise mit den schon ausgesprochenen und noch geplanten Fahrverboten.
Morten Hannesbo: Das ist totale Hysterie. Eine wirklich linke Angstmacherei, unsachlich und unprofessionell. Und sie zielt ja nicht nur allein gegen den Dieselmotor, sondern gegen das Automobil im Besondern. Die Linken wollen, dass wir nur noch zu Fuss, mit dem Velo oder dem Zug unterwegs sind. Was in Deutschland abgeht, geht völlig am Thema vorbei, hat mit dem Gedanken der sauberen Umwelt nicht das Geringste zu tun. Ich bin froh, dass die Schweizerinnen und Schweizer hier sachlich bleiben. Alles andere ist am Ziel vorbei geschossen.

 

Die Hersteller geben Vollgas bei der Entwicklung von Elektroautos. Bleiben wir lokal: Fahren in der Schweiz statt 4,5 Millionen Verbrenner dereinst nur noch Stromer, sind hierzulande für ihre Antriebsenergie zweieinhalb zusätzliche Atomkraftwerke nötig. Ein Widersinn – die Politiker wollen diesbezüglich ja abschalten, nicht aufschalten.
Morten Hannesbo: Ich bin überzeugt, dass keine neuen Kernkraftwerke nötig sind. Die Batterietechnologie wird sich markant verbessern, zudem lässt sich Strom künftig viel besser lagern und speichern. Was uns heute als grosses Problem erscheint, wird in zehn Jahren ein viel kleineres sein. Es braucht dafür aber guten Willen.

 

Und viele Solar- und Windenergie-Anlagen.
Morten Hannesbo: Das sowieso. In meiner Heimat Dänemark stammt mehr als die Hälfte der Stromproduktion aus der Windenergie. In der Schweiz wäre diesbezüglich ebenfalls sehr viel möglich, nur muss sich der linke Flügel dann halt zurücknehmen, wenn entsprechende Anlagen gebaut werden sollen. Auch globale Lösungen bieten sich an. Da gibt es zum Beispiel den Kontinent Afrika, auf dem sich Sonnenenergie auf riesigen Flächen günstig erzeugen lässt. Die Idee, wie diese Energie transportiert werden kann, ist ebenfalls geboren. Jetzt muss man sie umsetzen.

 

Zum Schluss wartet der persönliche Fahrzeug-Check auf Sie. Welches war ihr erstes Auto?
Morten Hannesbo: Oh, jetzt bitte nicht lachen: Das war ein grüner Morris Marina 1300 mit Jahrgang 1974. Den hab ich von meinem Onkel günstig bekommen. Leider war das Auto nach kurzer Zeit nicht mehr zu retten. Es hatte ein bisschen viel Rost, musste verschrottet werden. Nachfolger war ein dunkelgrüner Fiat 127 – ein Superauto. Dann folgte meine sportliche Zeit – mit Toyota Corolla GT, VW GTI und zwei BMWs.

 

Welches Auto würden Sie für sich kaufen, wenn Geld keine Rolle spielt?
Morten Hannesbo: Da muss ich nicht lange studieren. Ich würde entweder einen Porsche 356 wählen oder einen top restaurierten Porsche 912. Zu meinem Lebensstil passt aber der VW Multivan. Er bietet alles, was ein Hobby-Velorennfahrer wie ich braucht. Ich fahre 7000 Kilometer im Jahr mit dem Zweirad. Furka, Jaunpass, Gotthard – aus dem Sattel kenne ich sie alle.

 

Welches Auto würden Sie nie für sich kaufen wollen?
Morten Hannesbo: Es gibt wirklich keine schlechten Autos mehr. Sogar die kleinsten haben alles an Bord, was man braucht, sind qualitativ hervorragend gemacht. Okay, einen Tata Nano würde ich nicht kaufen, dem fehlt es an vielen Sicherheitsfeatures. Oder den Familien-Van von Toyota. Wie heisst er doch gleich? Ach ja, Picnic. Ich hatte mal einen, aber er war nichts für mich.

 

Was ist Ihrer Meinung nach die genialste Erfindung in der rund 135-jährigen Geschichte des Automobils?
Morten Hannesbo: Der Abstandsradar. Er bringt extrem viel hinsichtlich Sicherheit.

 

Auf welches Komfort- oder Sicherheits-Gadget könnten Sie verzichten?
Morten Hannesbo: Auf den automatischen Scheibenwischer. Ich sehe ja, wenn es regnet.

 

 

 

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