Automobil

Für Sie gefahren: Audi Q8 55 e-Tron S Line

 

Von Heinz Schneider (Text) und Irene Schneider (Fotos)

Wir könnten für einmal mit einer boshaften Unterstellung in einen Fahrbericht einsteigen. Und hier an dieser Stelle behaupten, dass der von Tageszeitungen und TV-Stationen gepflegte mediale Hype über die Frauen-Fussballnati in etwa gleich riesengross und ähnlich freundschaftlich ist wie der über Elektroautos. Bei vorerst noch unterschiedlichen Ergebnissen: Während das Versagen der Kickerinnen an der WM bereits Tatsache ist (blamables Ausscheiden gegen Spanien mit 1:5), könnte der automobilen Strombranche ein ungleich grosser Katzenjammer noch bevorstehen. Das befürchten zumindest einige Experten.

 

Glaubt man nämlich ihren Ausführungen, ist der E-Boom europaweit ins Stocken geraten. Zum Beispiel auch in Deutschland. Dort haben die grünen Ideologen 15 Millionen neue Stromer bis 2030 auf den Strassen vorausgesagt, gemäss Motoren-Ingenieur, Professor und Manager (ex Alpine, Audi, GM, Opel) Fritz Indra («Spätestens 2024 wird sich die EU vom Verbrenner-Verbot verabschieden!») werden daraus aber nur maximal vier bis fünf Millionen. Zu teuer? Zu wenig Reichweite? Zu viel CO2-Ausstoss bei der Produktion? Angst vor Strompreisexplosion und Feuersbrunst? Die Gründe kennen wir nicht – wir nennen nur die Fakten.

 

Und die fallen nach der Probefahrt mit dem Audi Q8 55 e-Tron S Line, das muss jetzt mal gesagt sein, wirklich positiv aus. Ausser vielleicht für Leute wie mich beim Preis: Mit 99 900 Franken taugt der mächtige und je nach Ausstattung 2,7 bis 2,8 Tonnen schwere Ingolstädter wohl kaum zur Massen-E-Mobilität. Nimmt man unseren Testwagen (fährt seit 2023 in der 2. Generation) und rechnet die vielen Gadgets hinzu (u. a. beheiztes Lenkrad 100.–, Sitzheizung vorne 500.–, Paket «S Line Black Edition» 7260.–, Premium-Paket 4770.–), reden wir schliesslich von 134 920 Franken.

 

Klar, der Audi-Stromer bietet für diese Summe sehr viel. Unter anderem sechs Fahrprogramme (Drive Select, Allroad, Efficiency, Comfort, Auto) inklusiv der von uns bevorzugten Einstellung «Dynamik». Oder beleuchtete Sicherheitsgurt-Schlösser, die in der Dunkelheit auf den ersten Blick zu finden sind. Hinzu kommt das eine oder andere Gadget wie «Virtual Cockpit»: Es sieht sehr cool aus, kostet aber 200 Franken. Spektakulär, für Novizen jedoch gewöhnungsbedürftig, sind die kamerabasierten virtuellen «Aussenspiegel» (siehe Fotogalerie) für 1690 Franken, welche das Geschehen hinter dem Fahrzeug auf die Screens in den beiden Vordertüren projizieren.

 

Angenehm überrascht sind wir vom Verbrauch. Den geben verschiedene Medien mit 30 bis 32 kWh an, was wir allerdings nicht bestätigen können. Auf 1737 gefahrenen Kilometer in den Alpen und im Unterland genehmigte sich unser Auto «nur» 26,7 kWh. Zudem haben wir eine ziemlich genau 400 Kilometer lange Fahrt unternommen – mit eingeschalteter Klimaanlage. Sie führte von Surcuolm im Bündner Oberland nach Oberrieden an den Zürichsee, von dort über den Hirzel nach Immensee (ZG) und über verschiedene Umwege zurück nach Surcuolm, wo noch immer 80 Kilometer auf der Anzeige standen. Für ein Allrad-SUV dieser Grösse und dieses Gewichts: Chapeau. Zudem ist es korrekt, dass die von Audi angegebene Ladezeit für die 114-kWh-Batterie des Testwagens mit serienmässiger Wärmepumpe an der High-Power-Ladesäule (HPC, 170 kW) rund eine halbe Stunde beträgt – auf 80 Prozent. Von null auf hundert Prozent (AC, 11 kW) vergehen 11,5 Stunden.

 

Zum Schluss widmen wir uns noch schnell dem Fahrgefühl. Erstens: Man sitzt hervorragend im Auto, die Position für den Fahrer ist dank der elektrischen Lenkradeinstellung (520–.) und dem Memory-Sitz (1630.–) vorzüglich. Zu erwähnen, dass ein 408 PS und 664 Newtonmeter starker Stromer abgeht wie eine Rakete, ist wohl überflüssig. Nicht aber die Tatsache, dass es innen extrem ruhig zu und her geht – was zu einem Grossteil das Verdienst der Akustikverglasung für 650 Franken ist.

 

Hinzu kommen im Audi noch ein paar Besonderheiten, die wir nicht vorenthalten möchten. Top ist beispielsweise, dass der Tempomat in «Ein-Kilometerstunden»-Schritten nach oben oder unten verändert werden kann. Betätigt man den Einstellknopf über den Druckpunkt hinaus, gehts in «Zehn-Stundenkilometer»-Schritten schneller oder langsamer. Und, besonders erwähnenswert: Das Schiebedach verfügt über einen wirkungsvollen Windabweiser aus synthetischem Material, der auch auf der Autobahn jegliche Pfeifgeräusche unterbindet und die Fahrt zusätzlich zum Genuss macht.

 

Aufgefallen ist uns zudem, dass die Schildererkennung im «Head-up-Display» korrekt arbeitet. Ihre Trefferquote ist im Vergleich zu anderen Fahrzeugen sehr hoch – viel, viel besser jedenfalls auch als die von mit grossem personellem und finanziellem Aufwand ermittelten Temperaturanzeigen von SRF Meteo.

 

Audi Q8 55 e-Tron S Line
Preis ab 99 900 Fr.
Motor 2 x Elektro
Systemleistung 408 PS / 664 Nm
Antrieb 4x4, Automatik, 1 Gang
Batteriekapazität 114 kWh (brutto)
Batteriespannung 390 V
Reichweite (WLTP) ca. 490 km
0 – 100 / Spitze 5,8 Sek, 200 km/h
Verbrauch (WLTP) 23 kWh / 100 km
Länge / Breite / Höhe 4,91 / 1,94 / 1,63 m
Kofferraum 631 bis 1900 Liter
Anhängelast 1800 Kilo

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