Automobil

Den VW-Klassiker im Blick: Weibels weibeln für den Golf

 

Von Reto Neyerlin (Text) und Christof René Schmidt (Fotos)

Der VW Golf feiert dieses Jahr den 50. Geburtstag. Urs (69) und Andreas (67) Weibel kamen schon bei der Premiere mit ihm in Kontakt – und besitzen heute in ihrer Sammlung 13 historische Golf, darunter das älteste Exemplar der Schweiz mit Jahrgang 1974.

 

Urs Weibel war einer der ersten in der Schweiz, die je einen VW Golf zu Gesicht bekamen. Und mehr noch: Er durfte sogar Hand anlegen. Denn als er im zweiten Lehrjahr als Automechaniker bei der AMAG Bern arbeitete, war er Teil des Teams, das das neue Modell für die landesweite Präsentation am 5. September 1974 im Kursaal Bern aufbereitete. «Da war meine Leidenschaft für den Golf natürlich geweckt.»

 

Sein 13 Monate jüngerer Bruder Andreas, der ebenfalls in der AMAG Bern die Lehre machte, erinnert sich, wie alle Mechaniker rausrannten, als die ersten mit dem Golf beladenen Autotransporter vorfuhren. «Die Stimmung unter den VW Leuten war euphorisch. Und dies zurecht, denn der Golf war damals einzigartig.»

 

Technisch war es ein Riesensprung vom Käfer mit seinem luftgekühlten Heckmotor zum wassergekühlten Frontantrieb im Golf. Zudem hatte der Neue fünf Türen und einen grossen Kofferraum. «Er war ein richtiges Familienauto, kompakt und dennoch geräumig, dazu für alle erschwinglich und günstig im Unterhalt», beschreibt Urs Weibel die Erfolgsfaktoren.

 

Die Gebrüder Weibel sind mit VW grossgeworden. Bereits Vater Paul betrieb in Aarberg im Berner Seeland die Garage, die sie 1983 übernahmen. Heute ist die dritte Generation am Werk, zwei Söhne von Urs, Lorenz und Claudio, und einer von Andreas, Sandro, leiten inzwischen die Autoweibel AG. Sie teilen auch die Passion für Oldtimer mit ihren Vätern.

 

Seit bald 40 Jahren sammeln Urs und Andreas Weibel historische Volkswagen. 56 automobile Schätze sind bisher zusammengekommen, darunter zwei Dutzend Käfer, ein Kübelwagen, Bullis, ein Buggy sowie weitere Raritäten aus dem VW-Konzern. Die schönsten und speziellsten Modelle haben sie im Untergeschoss des Familienbetriebs ausgestellt.

 

Einen wichtigen Teil der Sammlung nimmt der Golf ein, von dem sechs Stück an einer Wand aufgereiht sind. Ganz rechts steht ein gelbes Exemplar aus dem Jahre 1974 mit lediglich 44 000 Kilometern auf dem Tacho. «Dieser Golf I ist der älteste der Schweiz. Und er ist immer noch eingelöst», sagt Urs Weibel voller Stolz. Seine Lackierung heisst offiziell Marinogelb, es ist dieselbe wie beim Modell, das er damals aufbereitete. Sie ist ebenso original wie der Rest des Autos, einzig die Seitenspiegel sind von einem späteren Modell.

 

Daneben steht ein Golf I GTI mit Jahrgang 1983, zu dem Andreas Weibel eine ganz besondere Beziehung hat. Als Diplomarbeit für die Meisterprüfung baute er diesem einen zweiten Motor im Kofferraum ein. Der Arbeitsaufwand für das Einzelstück: 1200 Stunden. Das Resultat: 250 PS und eine Beschleunigung von 5,2 Sekunden für den Sprint auf 100 km/h. «Spätestens, wenn ich an VW-Treffen die Heckklappe öffne, bildet sich eine staunende Menschentraube um meinen Bimotor-Golf», erzählt er mit einem breiten Grinsen.

 

Insgesamt haben Weibels 13 Golf Modelle in ihrer Sammlung, von der Generation I bis zur Generation V. Zu allen kennen sie die Geschichte, und abgesehen vom Bimotor befinden sich alle im Originalzustand. «Einige Vorbesitzer haben uns ihr Auto auch nur verkauft mit der Zusicherung, dass wir es so belassen», erzählt Andreas Weibel. Im Vergleich zum deutlich älteren Käfer ist es beim Golf aber schwieriger, an hochwertige Ersatzteile zu gelangen. «Vieles auf dem Markt ist reproduziert und von schlechter Qualität.»

 

Zwar unrestauriert, aber dennoch in gutem Zustand ist das dunkelgrüne Golf I Cabriolet, in das sich die Brüder für ein Foto setzen. Wie alle anderen Golf in der Sammlung wird das Cabriolet, das wegen seines markanten Überrollbügels im Volksmund Erdbeerkörbchen genannt wird, regelmässig gefahren. Das zeichnet den Golf eben auch seit einem halben Jahrhundert aus: Er ist so zuverlässig, dass er stets treu seinen Dienst verrichtet.

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