Von Dennis Schneider (Text)
Er tritt auf die Bühne, als hätte Toyota lange genug zugesehen, wie andere Marken mit grossen Versprechen um sich werfen. Der GR GT erscheint heute als Prototyp, begleitet vom GR GT3 – zwei Fahrzeuge, die nicht weniger behaupten als das «ultimative Fahrerlebnis» zu liefern. Hinter beiden steht «TGR», also «Toyota GAZOO Racing», die Motorsport- und Performance-Division des Konzerns, die jene Modelle verantwortet, die näher an der Rennstrecke als am Alltag gebaut werden. Toyota formuliert es nüchterner: ein extrem niedriger Schwerpunkt, geringes Gewicht, hohe Steifigkeit und Aerodynamik, die nicht nachträglich korrigiert, sondern von Beginn an diktiert wird. Akio Toyoda, der sich als «Master Driver Morizo» gern selbst ins Spiel bringt, spricht von einem Entwicklungsansatz, bei dem «Fahrer, Ingenieure und professionelle Piloten als ein Team» agieren. Ein schönes Bild – und in diesem Fall durchaus glaubwürdig, wenn man den Aufwand betrachtet, der betrieben wurde.
Die beiden Fahrzeuge knüpfen an Ahnen wie den 2000GT und den Lexus LFA an, doch statt nostalgischem Pathos fällt auf, wie radikal der Ansatz ist. Der GR GT wird als straßenzugelassener Rennwagen entwickelt, ein Hybrid mit 4,0-Liter-V8-Biturbo und einem einzelnen E-Motor, der es auf über 650 PS und mehr als 850 Nm bringen soll. Das Auto liegt nur 1.195 Millimeter über dem Asphalt, ein Wert, der zeigt, wie ernst es Toyota meint mit dem tiefen Schwerpunkt. Radstand 2.725 Millimeter, Länge 4.820 Millimeter, Breite 2.000 Millimeter – stattlicher Auftritt, aber verpackt in einem vollständig aus Aluminium gefertigten Spaceframe, also einem hochsteifen Fachwerkrahmen aus miteinander verschraubten oder verschweissten Profilen, der maximale Festigkeit bei möglichst geringem Gewicht ermöglicht. Ergänzt wird diese Konstruktion durch Aussenhaut-Paneele aus CFRP – kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff –, die mit geringem Gewicht und hoher Stabilität den strukturellen Vorteil des Rahmens weiter ausreizen. Das Gewicht soll unter 1.750 Kilogramm bleiben, die Gewichtsverteilung bewegt sich bei 45 zu 55 – ein klares Bekenntnis zur Balance.
Die Entwicklung folgt einer Logik, die sonst nur im Motorsport erlaubt ist. Erst die Aerodynamik, dann das Design. Aero-Ingenieure aus der WEC definieren die ideale Form, Designer passen anschliessend ihre Linienführung an. Innen wird strikt nach Sicht, Sitzposition und Bedienbarkeit sortiert – Schalter dort, wo sie im Ernstfall instinktiv erreichbar sind. Die Anzeigen werden so lange verschoben, bis sie im peripheren Blickfeld funktionieren. Der Anspruch lautet: ein Cockpit, das Profis zufriedenstellt, ohne den Amateur zu überfordern.
Der Antrieb wirkt wie ein Ingenieursmanifest. Kurzhub-V8, Hot-V-Layout, Trockensumpf – alles darauf ausgelegt, die Bauhöhe zu reduzieren. Der E-Motor übernimmt die Kompensation von Schaltmomenten und Anfahrverzögerung, die neue 8-Gang-Automatik baut auf einer Nasskupplung statt Wandler, um Schaltzeiten zu minimieren. Der Transaxle sitzt hinten, verbunden durch ein CFRP-Torque-Tube; die Kraft dreht sich im Inneren einmal um, damit die Fahrzeugarchitektur kompakt bleibt. Zielgeschwindigkeit: mindestens 320 km/h. Es wirkt fast bescheiden, wenn «TGR» dazu sagt, der Motor solle «Interaktion ermöglichen» und die Abgasanlage «thermische Energie hörbar machen».
Parallel entsteht der GR GT3 – gewissermassen der GR GT ohne Kompromisse für die Strasse. Die Proportionen sind extremer, die Höhe liegt bei 1.090 Millimetern, die Breite wächst auf 2.050 Millimeter. Auch hier arbeitet der gleiche V8-Biturbo, auch hier gilt das Credo niedriger Schwerpunkt, geringes Gewicht, maximale Aerodynamik. Der Hersteller sagt, der GT3 solle «ein Auto für Menschen sein, die gewinnen wollen, aber auch für jene, die nicht bei jedem Rennen um Titel fahren». Ein Satz, der genau die Kundensport-Realität trifft.
Der Marktstart beider Fahrzeuge ist für 2027 vorgesehen. Bis dahin bleibt eine Frage offen, die besonders in der Schweiz auf der Zunge liegt: Kommt der GR GT überhaupt offiziell in den Handel? Toyota hält sich bedeckt, doch aus Unternehmenskreisen heisst es, man strebe eine globale Verfügbarkeit an – allerdings in streng limitierten Stückzahlen. Die Schweiz, mit ihrem traditionell starken GR- und Supra-Markt, dürfte dazugehören, sofern die Homologation ohne Überraschungen gelingt. Konkrete Liefermengen nennt niemand.
Und der Preis? Toyota schweigt, wie es Hersteller gern tun, wenn die Zahl noch weh tun könnte. Klar ist: Ein Vollaluminium-Rahmen, ein neuer V8-Biturbo, Hybridtechnik, Carbon-Keramik-Bremsen und handgefertigte Leichtbaukomponenten sortieren ein Fahrzeug automatisch in die obere Liga ein. Der Lexus LFA kostete einst über 350.000 Franken – ein Wert, an dem sich der GR GT zumindest orientieren dürfte, wahrscheinlich mit einem Aufschlag. Dass Toyota den GR GT unter 300.000 Franken platziert, erscheint illusorisch. Realistischer ist ein Preisbereich zwischen 350.000 und 450.000 Franken, abhängig von Ausstattung und Produktionsvolumen. Der GR GT3? Schon per Definition ein Kundensportgerät – also jenseits der 500.000 Franken.
Während Toyota von «immer besseren Autos» spricht, wirkt der GR GT wie ein Versuch, die Marken-DNA neu zu schärfen. Der Aufwand, die Technik, die Radikalität der Entscheidungen – all das lässt erahnen, dass dieses Auto nicht gebaut wird, um Verkaufscharts zu dominieren, sondern um ein Statement zu setzen. Ob es am Ende auf Schweizer Strassen landet oder vor allem in Sammlergaragen? Wahrscheinlich beides. Und beides passt zu einem Auto, das nicht versucht, jedem zu gefallen – sondern nur denen, die genau wissen, warum sie ihn wollen.