Von Dennis Schneider (Text)
Grosse Bühne, grosser Anspruch, kurzer Halt. «Chery» stellt seinen «Fulwin X3L» an den Fuss einer Treppe, die mehr Mythos als Infrastruktur ist, und tut so, als liesse sich Geschichte reproduzieren wie ein Werbespot. Die 999 Stufen zum «Tor des Himmels» am Tianmen-Berg in der Provinz Hunan sind kein PR-Parcours, sondern das steinerne Finale der Tianmen-Mountain-Road, jener legendären Serpentinenstrasse, die sich wie ein Nervenzusammenbruch den Berg hinaufwindet. Hier oben ist schon der Blick steil. Die Treppe selbst: rund 45 Grad. Wirklich. Ernsthaft. Oder nur Grössenwahn mit Allrad?
«Chery» ist kein Nobody. Der Konzern zählt zu den grössten Autoherstellern Chinas, exportiert in über 80 Länder und inszeniert sich gern als technologischer Vorreiter zwischen Elektro-Offensive und globalem Expansionsdrang. Viel Volumen, viel Tempo, viel Selbstbewusstsein. Und genau das steht jetzt auf dieser Treppe. Der «Fulwin X3L», frisch vorgestellt, ein Extended-Range-Elektro-SUV mit zwei Elektromotoren und zusätzlichem Verbrenner als Stromlieferant, soll zeigen, dass «Chery» nicht nur Masse kann, sondern auch Mythos. Anfangs klappt das sogar. Das Auto klettert, die Kameras laufen, das Narrativ steht bereit.
Dann bleibt alles stehen. Ein Moment, in dem selbst der Berg kurz zu lachen scheint. Der «Fulwin» rutscht zurück, beschädigt Teile der historischen Mauer, ein Bauteil löst sich mit hörbarem Knall, die Inszenierung gleich mit. Kein Absturz, immerhin. Statt Heldensaga gibt es Fremdscham in Endlosschleife, verbreitet über TikTok und Co. Der Vergleich drängt sich auf: 2018 schafft hier ein «Range Rover Sport» den Aufstieg. Ein Versuch, ein Erfolg. «Chery» liefert Content – aber keinen Triumph.
Der Hersteller entschuldigt sich, verspricht Reparaturen und erklärt das Debakel mit einem gelösten Schäkel am Sicherungsseil, das sich im rechten Rad verfängt und die Kraftübertragung blockiert. Technisch erklärbar, kommunikativ bequem. Gleichzeitig kursieren bereits Pläne für den nächsten Anlauf: bessere All-Terrain-Reifen, überarbeitete Drehmomentverteilung, zusätzlicher Neigungswinkelsensor. Eine erstaunlich lange Liste für einen angeblich kleinen Fehler.
Am Ende bleibt diese Treppe das, was sie immer ist: ein gnadenloser Prüfstand für Technik und Hybris. «Chery» kommt wieder, heisst es. Der Berg wartet. Und die Stufen zählen weiter mit.