Von Dennis Schneider (Text)
Er sieht aus, als hätte jemand einen Le-Mans-Prototypen mit einem Start-up-Pitch und sehr viel Selbstbewusstsein gekreuzt – und genau so fährt er auch. Der Czinger 21C ist kein nostalgisches Hypercar mit Lederduft und Markengeschichte, sondern ein rollendes Statement aus Los Angeles: «Hightech zuerst, Selbstinszenierung später.»
Hinter dem Namen steht kein traditionsreicher Hersteller aus Maranello oder Woking, sondern «Czinger Vehicles», ein vergleichsweise junges Unternehmen aus Kalifornien. Gegründet wurde es von «Kevin Czinger», der weniger aus der klassischen Autobranche kommt als aus der Welt von Technologie, Fertigungsprozessen und Systemdenken. Das Ziel war von Anfang an ambitioniert formuliert: Autos nicht nur zu entwerfen, sondern «grundlegend anders zu bauen.» Der 21C ist das erste Serienfahrzeug dieser Idee – und gleichzeitig ihr radikalster Beweis.
Im Zentrum steht ein Hybridantrieb, der weniger auf Zylinderzahl als auf Effizienz und Brutalität setzt. Ein extrem hochdrehender, flachgekurbelter V8 mit knapp 2,9 Litern Hubraum arbeitet mit elektrischen Maschinen zusammen, je nach Spezifikation auch an der Vorderachse. Das Ergebnis: Allradantrieb, Torque Vectoring – also eine aktive, radselektive Verteilung des Antriebsmoments für maximale Traktion und präzises Einlenken – und eine Systemleistung von rund 1.250 PS, in später kommunizierten Ausbaustufen sogar bis zu 1.350 PS.
Die Sitzposition passt ins Bild. Fahrer und Beifahrer sitzen nicht nebeneinander, sondern hintereinander im Tandem, wie in einem Kampfjet. Das spart Bauraum, senkt die Stirnfläche und macht unmissverständlich klar, worum es hier geht. Komfort ist vorhanden, aber eindeutig nachgeordnet. Der 21C will schnell sein. Sehr schnell. Von null auf 100 km/h in rund 1,9 Sekunden, die Viertelmeile – ein in den USA übliches Beschleunigungsmass über 402 Meter aus dem Stand – in gut acht Sekunden. Werte, die selbst im Hypercar-Olymp Respekt erzeugen.
Entscheidend ist dabei nicht nur der Antrieb, sondern die Aerodynamik. Czinger bietet den 21C in unterschiedlichen Auslegungen an, von einer kompromisslosen High-Downforce-Variante für die Rennstrecke – ausgelegt auf maximalen Abtrieb, also zusätzlichen Anpressdruck, der das Auto in schnellen Kurven förmlich auf den Asphalt presst – bis zu einem Low-Drag-Setup, das den Luftwiderstand reduziert, weniger Abtrieb erzeugt und damit vor allem auf höchste Endgeschwindigkeit auf der Geraden zielt. In dieser Konfiguration werden theoretische Top-Speed-Werte von bis zu rund 450 km/h genannt. Ob man das jemals ausfährt, ist eine andere Frage. Die Fähigkeit allein reicht schon als Botschaft.
Was den 21C jedoch wirklich von etablierten Herstellern unterscheidet, ist seine Entstehung. Czinger setzt konsequent auf additive Fertigung und generatives Design, entwickelt innerhalb der «Czinger-Organisation in enger Verbindung mit Divergent Technologies», dem ebenfalls von Kevin Czinger gegründeten Engineering- und Fertigungsunternehmen. Zahlreiche Struktur- und Fahrwerkskomponenten entstehen im 3D-Druck, optimiert von Algorithmen statt von Tradition. Das ist kein Marketing-Gag, sondern ein zentraler Bestandteil der Konstruktion – leichter, steifer, radikaler gedacht.
Dass dieses Konzept funktioniert, belegen nicht nur Daten, sondern auch Rundenzeiten und Rekorde. Der Czinger 21C sorgte unter anderem auf dem «WeatherTech Raceway Laguna Seca» in Kalifornien für Aufsehen, einer der bekanntesten permanenten Rennstrecken der USA, berühmt für ihre technisch anspruchsvolle Streckenführung und die legendäre «Corkscrew»-Passage mit extremem Höhenunterschied. Ebenso spektakulär war der Auftritt beim Goodwood Hillclimb in England, einem traditionsreichen Bergrennen im Rahmen des Festival of Speed, bei dem seriennahe und strassenzugelassene Fahrzeuge auf einer kurzen, engen Bergstrecke gegeneinander antreten. Gerade dort gilt jede Bestzeit weniger als Zahl, sondern als öffentliches Gütesiegel für Ingenieurskunst.
Limitiert ist das Ganze ebenfalls, wie es sich gehört. Rund 80 Exemplare sind vorgesehen, der Einstiegspreis liegt bei etwa 2,3 Millionen US-Dollar, Optionen nicht eingerechnet. Billig ist das nicht, exklusiv schon – aber vor allem ist es konsequent. Der Czinger 21C will nicht jedem gefallen, sondern beweisen, dass ein neues Denken im Fahrzeugbau mehr sein kann als ein schönes Versprechen.
Kaufen kann man ihn dennoch ganz real. Czinger hat ein internationales Partnernetz aufgebaut, über das Bestellungen möglich sind, unter anderem in den USA, Kanada, Grossbritannien, Deutschland, Spanien, Japan, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Die Schweiz taucht bislang nicht als offizieller Markt auf, was den Exotenstatus hierzulande zusätzlich unterstreicht. Die Strassenzulassung hängt dabei wie üblich von den jeweiligen nationalen Vorschriften ab, doch der Anspruch ist klar: kein reines «Track-Toy», sondern ein extrem kompromissloses Strassenfahrzeug.
Am Ende bleibt der Eindruck eines Autos, das weniger aus einer langen Historie schöpft als aus einer ziemlich klaren Vorstellung von Zukunft. Der Czinger 21C ist kein Denkmal, sondern ein Experiment mit Nummernschild. Und genau das macht ihn so spannend.