Carrosserie- und Fahrzeugbau

Manuel Lipp: «Als Carrosserie-Spengler trete ich nun kürzer!»

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      Von Heinz Schneider (Text und Fotos)

      Eigentlich wollten wir, dass Schweizermeister und Vize-Weltmeister Manuel Lipp sein Interview mit carwing.ch in Wangen an der Aare (BE) autorisiert – an dem Ort, wo er die Motorfahrer-Rekrutenschule begonnen hatte. Doch ein Skiunfall Mitte Dezember 2015, bei dem sich der bekannteste Schweizer Carrosserie-Spengler schwere Knieverletzungen zuzog (gebrochener Oberschenkelknochen, Kreuzbandriss, Meniskusschaden), beendete seine Militärkarriere vorläufig abrupt und machte die Pläne fürs Gegenlesen zur Makulatur. Jetzt, fünf Monate später, befindet sich der 23jährige Luzerner aus Ruswil auf den letzten Metern seines langen Genesungsweges und hat den Kopf bereits wieder voller Pläne.

       

      Herr Lipp, als erstes wollen wir natürlich wissen, wie es Ihnen geht nach dem schweren Skiunfall. Also, wo stehen Sie auf dem Weg zur vollständigen Heilung?
      Manuel Lipp: Es gibt Licht am Ende des Tunnels, in ein paar Wochen bin ich wieder hundertprozentig einsatzfähig.

       

      Sie wollten die RS bei den Motorfahrern absolvieren, mit dem Fernziel, später privat und gewerblich Lastwagen und vor allem Anhänger führen zu können – was zweifellos Ihrem Geschäft zugute gekommen wäre.
      Manuel Lipp: Das stimmt, ich habe mich deshalb für die sogenannte Durchdiener-Rekrutenschule beworben. Sie dauert zehn Monate am Stück, dafür ist das Soll dann erfüllt. Für mich ist nun früher Schluss, und in etwa einem Jahr findet seitens der Militärärzte eine Neubeurteilung meiner gesundheitlichen Situation statt. Wie das ausgeht, ist völlig offen.

       

      So wie ich Sie kenne, drehen Sie in der Zwischenzeit keine Däumchen und warten einfach ab. Wie sehen Ihre Pläne aus?
      Manuel Lipp: Im Frühsommer erfülle ich mir einen Wunsch, den ich schon lange mit mir herumtrage: Ich beginne eine Zusatzlehre als Lackierer im Autospritzwerk Hans Kunz in Ruswil. Ich freue mich extrem auf diese Herausforderung.

       

      Sie gleisen damit die berufliche Zukunft auf, indem Sie später eine Lackierabteilung in den Carrosserie-Betrieb Ihrer Eltern integrieren werden?
      Manuel Lipp: Das ist durchaus möglich. Aber da mache ich mir jetzt noch keine konkreten Gedanken. Es geht vorderhand darum, die Arbeit des Lackierers zu verstehen und zu beherrschen, damit ich die Kundschaft im Hinblick auf eine umfassende Autoreparatur kompetent beraten kann. Abgesehen davon werte ich es als total befriedigend, einen Unfallwagen von A bis Z in eigener Regie wieder herzustellen. Der gesamte Arbeitsprozess liegt in den Händen der persönlichen Kreativität – ich kann mir in beruflicher Hinsicht kaum etwas Schöneres vorstellen.

       

      Der Vize-Weltmeister lässt für lange Zeit das Spenglern und beginnt zu lackieren. Geht das gut?
      Manuel Lipp: Ich verzichte nicht vollständig aufs Spenglern, trete nur ein wenig kürzer. Mein Vater und ich haben ausgemacht, dass ich allenfalls an Samstagen und anderen freien Tagen in seinem Betrieb verschiedene Carrosserie-Arbeiten erledigen kann. So gerate ich nicht aus der Übung.

       

      Sie sind 21 Jahre jung, haben die Berufsmatura aber seit längerem im Sack, weil Sie diese während der Lehrzeit absolviert haben. Das ist sehr ungewöhnlich . . .
      Manuel Lipp: . . . bringt aber Vorteile, beispielsweise hinsichtlich des Zeitaufwandes. Ein Carrosserie-Spengler besucht normalerweise einen Tag pro Woche die Berufsschule mit den Fächern Berufskunde und Allgemeinbildung. Die Matura dauert ebenfalls einen Tag, macht also insgesamt zwei Schultage. Weil die Matura jedoch zur Allgemeinbildung zählt, lässt sich das Ganze während der Lehre kombinieren – das heisst, zur eintägigen Maturaschule kommt nur noch ein halber Berufsschultag mit dem Fach Berufskunde hinzu. Sie sparen also einen halben Schultag.

       

      Sie haben die technische Matura absolviert, die vier Jahre dauert und viel Mathematik beinhaltet. Eine sehr strenge Arbeit für einen Jugendlichen zwischen 17 und 20, oder nicht?
      Manuel Lipp: Wer sich dafür entscheidet, verzichtet in der Tat auf vieles. Hausaufgaben und Repetitionen sind vor allem an Abenden und Wochenenden zu erledigen, das geht nicht anders. Aber so habe ich schon sehr früh gelernt, mich zu organisieren und strukturiert an Aufgaben heranzugehen. Diese disziplinierte Arbeitsweise half mir bei der Lehrabschlussprüfung, aber auch später während den verschiedenen Berufswettbewerben, die ich bislang mitgemacht habe.

       

      Damit nicht genug. Sie haben, wie ich höre, während der Lehrzeit und neben der Berufsmatura auch noch einen VW Golf IV restauriert.
      Manuel Lipp: Das ist so, dafür habe ich 400 Arbeitsstunden investiert. Beim Restaurieren lernt man viel über die technischen Komponenten, fördert gleichzeitig aber auch die Freude am Beruf, weil man etwas komplett Neues entstehen lässt. Das Auto fahre ich übrigens immer noch.

       

      Ist persönlicher Ehrgeiz oder Wettbewerbsfieber die Triebfeder für Ihren Aktivismus?
      Manuel Lipp: Sicher gehört viel Ehrgeiz dazu. Aber natürlich auch der Plausch an der Arbeit, Freude an dem, was man macht. Allerdings: Wenn ich so zurückblicke, hat mich der Wettbewerbsgedanke schon im Kindesalter begleitet. Spielen war immer meine Leidenschaft, und die ist oftmals in einen wahren Contest ausgeartet. Ich erinnere mich zum Beispiel an meine Unihockeyzeit – schon damals wollte ich der Schnellste sein und am meisten Tore erzielen. Mich hat das immer angespornt, ein Ziel zu erreichen und dann sofort das nächsthöhere in Angriff zu nehmen. Später nahm ich an Lehrlingswettbewerben teil. Dort bin ich angetreten, um zu gewinnen. Und als ich das geschafft habe, hat mich das in meiner Überzeugung bestätigt, dass man alles kann, wenn man will. Und gleichzeitig angespornt, beim nächsten Mal noch besser zu sein.

       

      Sie scheinen der perfekte Arbeitnehmer zu sein. Haben Sie in beruflicher Hinsicht keine Schwächen?
      Manuel Lipp: Das wäre zu schön um wahr zu sein. Ehrlich gesagt wünsche ich mir etwas mehr Talent für Sprachen, und auch das Auswendiglernen liegt mir nicht besonders. Da muss ich mich noch verbessern.

       

      In ein paar Tagen erscheint Folge 2 unseres Interviews mit Manuel Lipp. Darin verrät der Luzerner etwas über seine Situation im elterlichen Unternehmen und darüber, was es braucht, um an einer Weltmeisterschaft erfolgreich sein zu können.

       

       

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