Carrosserie- und Fahrzeugbau

Interview mit Tony Tulliani: «Ich will Partner, die reparieren!»

 

Hätten Sie das gewusst? In Regensdorf nahe Flughafen Kloten gibt es die Schadenmanagement-Firma «HCG», was als Abkürzung für «Hagel, Carrosserie und Glas» steht. Gegründet von Carrosserieunternehmer Hans Aeschlimann im Jahre 2007, damals Präsident der Zürcher VSCI-Sektion (heute Carrosserie Suisse Zürich), hatte die «HCG Zentrum GmbH» zum Ziel, als unabhängiges Netzwerk schweizweit tätig zu sein. Und dabei im Auftrag von Versicherungen – zum Beispiel nach Hagelgewittern – die beschädigten Fahrzeuge für die Reparatur an die Partnerbetriebe ins Netzwerk zu steuern. Eine gute Idee, schliesslich sind Sturm und Hagel meistens lokale Ereignisse, welche die örtlichen Werkstätten schon an die Grenzen ihrer Kapazität bringen können. Es lief gut, auch für viele umliegende Betriebe, die dank dieser Schadensteuerung Aufträge erhielten und sicherstellen konnten, dass die Automobilisten ihre reparierten Fahrzeuge viel früher zurückbekamen als zuvor befürchtet. Schon bald wurden deshalb auch Glas- und Carrosserieschäden ins Netzwerk geleitet.

 

Trotzdem verwandelte sich «HCG» in der Folge zum klassischen Schadenmanager für Flottenbetreiber, Leasinggesellschaften und Versicherungen – weil diese und auch neu im Markt aktive Netzwerke begonnen hatten, mit beispielsweise Dellendrücker-Truppen vor Ort eigene Angebote zu entwickeln. Heute stellt «HCG» seine Dienstleistungen als Tochter von «Car Logistics» zur Verfügung, steuert Aufträge in 63 unabhängige Carrosserie- und Lackierbetriebe und beurteilt im Auftrag Reparaturkalkulationen. Wir haben uns mit HCG-Geschäftsführer Tony Tulliani – gelernter Lackierer und früher für BASF und André Koch tätig – über die Arbeiten, Dienstleistungen und Perspektiven seiner Unternehmung unterhalten.

 

Herr Tulliani, ich habe eine kleine, nicht unbedingt repräsentative Umfrage durchgeführt. Und dabei 15 Vertreter von Carrosserie-und Lackierwerkstätten gefragt, wer «HCG» sei und in welchem Bereich sie tätig ist. Was denken Sie, ist dabei herausgekommen?
Tony Tulliani: Ich nehme an, aus meiner Sicht ist Verbesserungspotential vorhanden. Allerdings weiss der harte Kern der Branchen-Insider schon sehr gut, wer wir sind und was wir können. Doch die anderen werden uns noch kennenlernen – da haben wir bezüglich des Marketings klare Vorstellungen. Was hat denn Ihre Umfrage konkret ergeben?


Neun hatten keinen Schimmer, wer «HCG» ist und welche Aufgabe sie hat. Einer wusste die Verbindung zu Hans Aeschlimann, und zwei hatten wenigstens eine kleine Ahnung. Drei konnten den Wirkungskreis exakt erklären. Sind Sie vom Resultat überrascht?
Tony Tulliani: Nein, ich habe das so ähnlich erwartet. Wie gesagt: Wir sind im Aufbruch, haben punkto Bekanntheitsgrad aber noch nicht so investiert, wie ich mir das vorstelle und wünsche. Da haben wir Nachholbedarf, auch in der Westschweiz. Aber wir gehen Schritt für Schritt – das kommt noch.

 

Tatsächlich scheint es, als sie bislang zu defensiv in den Markt gestürmt sind und zu leise mit dem Besteck geklappert haben. Aber wir holen das jetzt hier und heute nach. Also: Wer ist die «HCG» und was tut sie in erster Linie?
Tony Tulliani: Wir sind ein Schadenmanager für Flotten und Versicherungen – das heisst, wir lösen ihre Probleme, beziehungsweise begleiten in ihrem Auftrag ihre Fahrzeuge auf dem Weg durch den Reparaturprozess. Wir regulieren den Schaden also im Sinne dieser Kunden, machen aber auch das Qualitätsmanagement hinsichtlich der Reparaturen und überprüfen die Ergebnisse.

 

Ich nehme an, die Reduzierung von Reparatur- und Prozesskosten geht einher in diesem Dienstleistungsangebot?
Tony Tulliani: Richtig, das zählt ebenfalls zu den Verpflichtungen. Wir begleiten und überprüfen Reparaturkalkulationen, und da kann es vorkommen, dass wir eine Alternative zum vorgeschlagenen Weg benennen – um letztlich die Kosten tief zu halten. Zudem kümmern wir uns um die Administration, die Organisation für die Reparatur und die Abrechnungen mit allen Beteiligten wie Versicherungen, Geschäftskunden und Fahrern.

 

Dann sind diese Flotten- und Versicherungsunternehmungen eigentlich Ihre Kunden. Wer zählt dazu?
Tony Tulliani: Namhafte Firmen wie «Meier Tobler» mit ihren mehreren hundert Dienstwagen. Als weitere Beispiele darf ich Aldi, Griesser, Honeywell, Privera und Simpego nennen. Oder auch Visana, die Bank WIR, Kehrli + Oeler und Thyssen Krupp.

 

Welche Rolle in diesem Prozess spielen die 63 Carrosserie- und Lackierwerkstätten, die Mitglied sind im Netzwerk von HCG?
Tony Tulliani: Sie sind unsere Partner, für sie wollen wir eine Wertschöpfung erzielen. Natürlich in erster Linie mit Aufträgen, die getreu dem Motto «Reparieren statt ersetzen» erledigt werden können. Ich sage immer, wir sind das Bindeglied zwischen Carrossier, Versicherung und Fahrzeughalter – mit dem Anspruch, eine solide Brücke zu bauen.

 

Welche Kriterien müssen diese Betriebe erfüllen?
Tony Tulliani: Das sind mittlere bis grosse Werkstätten, die als Verbandsmitglieder von «Carrosserie Suisse» gewisse Standards erfüllen und in erster Linie die Arbeitsqualität im Auge behalten. Und weil ich weiss, dass Sie jetzt gleich die Namen einiger Betriebe wissen wollen, gebe ich die Antwort gleich ungefragt: In Bern ist es zum Beispiel die Firma Bringold, in Dällikon-Zürich die Carrosserie Aeschlimann, Theus in Chur, die Carrosserie Nidwalden in Stans. Im Kanton Baselland arbeiten wir sehr gerne mit der Falcone GmbH zusammen und im Thurgau mit der Greco Carrosserie + Autospritzwerk AG aus Sirnach. Im Aargau haben wir ebenfalls zwei interessante Partner: die ACW AG in Aarau und die Hallauer AG aus Tägerig und Wohlenschwil.

 

Wie präsentiert sich die Situation in der Westschweiz und im Tessin?
Tony Tulliani: Da sind wir ebenfalls sehr gut aufgestellt. In Aclens in der Waadt ist die Firma von Hélène Bra ein Partner, in Lyon die Carrosserie Binggeli. Im Tessin sind es die Carrozzeria Monzeglio in Riazzino und die Gorla SA in der Nähe von Chiasso. Und, ganz wichtig: Alle unsere Partnerbetriebe sind unabhängig.

 

Was bedeutet unabhängig in diesem Zusammenhang?
Tony Tulliani: Sie sind keine Markenvertretungen. Markenvertretungen möchten natürlich in erster Linie Ersatzteile verkaufen, das ist ihr Auftrag und bringt ihnen das grosse Geld. Aber Ersatzteile werden immer teurer. Nehmen Sie zum Beispiel die Seitenwand von einem deutschen Mittelklassewagen – ein Ersatz kostet um die 3500 Franken. Für diese Summe kann der Carrosseriespengler einige Arbeitsstunden für die Reparatur verrechnen.

 

Das heisst im Umkehrschluss: Sie wollen, dass Ihre Partner reparieren?
Tony Tulliani: Natürlich will ich das, wo immer möglich. Für den Flottenbetreiber oder die Versicherung ist diese Art der Instandstellung weitaus kostengünstiger, und sie bringt zweitens dem Carrossier mehr Arbeitsstunden, Wertschöpfung und Profit. Mal abgesehen vom Umweltschutzgedanken. Sie würden staunen, welche beschädigten Teile unsere Partner schon repariert haben, die gemäss einem ersten Kostenvoranschlag hätten ersetzt werden müssen.

 

Im Schadenfall gibt es vier beteiligte Parteien. Einerseits die Leasinggesellschaft als Fahrzeugbesitzer, dann der Carrosseriespengler oder Lackierer, und schliesslich der Flottenbetreiber und die Versicherung. Wem sind Sie verpflichtet?
Tony Tulliani: Dem Erfolg. Das Ziel ist es, die ideale, kostengünstige und handwerklich einwandfreie Schadenabwicklung durchzuführen. Und zwar so, dass es zum Schluss zur Win-win-Situation kommt für alle Beteiligten. Dazu zählt halt eben, dass unsere Partner das Motto «Reparieren statt ersetzen» durchziehen und dem CO2-Spargedanken Rechnung tragen.

 

Die HCG hat sieben Angestellte. Was sind diese von Beruf?
Tony Tulliani: Wir beschäftigen zwei Sub-Abteilungen – eine erledigt die klassische Sachbearbeitung und besteht aus mehrsprachigen KV-Profis. Dann beschäftigen wir drei Carrosseriespengler und Carrosserielackierer, die sich als Experten den vorgeschlagenen Reparaturwegen annehmen.

 

Haben Sie den Auftrag, den Stamm von 63 Netzwerk-Mitgliedern zu erhöhen?
Tony Tulliani: Bis auf Weiteres nein, das bringt nichts. Jeder Partner hat Anrecht auf Arbeit von uns. Sind zuviele Partner im Netzwerk, wird das Arbeitsvolumen der einzelnen Mitglieder geschmälert. Und das würde auch bei mir nicht gut ankommen. Sollten wir das vermittelbare Volumen allerdings erhöhen können, behalten wir es uns vor.

 

Wie finanziert sich Ihr Unternehmen? Aus welcher Quelle kommt der Profit?
Tony Tulliani: Unter anderem aus den Netzwerk-Mitgliederbeiträgen und den Vermittlungsprovisionen, die wir von unseren Partnern erhalten. Zudem führen wir für unsere Kunden Kalkulationsprüfungen durch, die wir verrechnen können. Und wir leisten administrativen Support für Versicherungen.

 

Verschiedene Schweizer Lackimporteure haben ebenfalls mit viel Fleiss und enormem Aufwand Netzwerke gegründet. Arbeiten Sie mit ihnen zusammen?
Tony Tulliani: Nein, aus Gründen der Unabhängigkeit tun wir das nicht. Die Schweizer Lackimporteure haben mit dem Aufbau ihrer Netzwerke eine unglaublich tolle Arbeit gemacht, das verdient grossen Respekt. Aber für uns machen Kooperationen keinen Sinn. Und zwar darum, weil jedes Lack-Netzwerk ein berechtigtes Interesse daran hat, dass man seine Produkte verwendet – das ist schliesslich sein Interesse und seine Aufgabe. Aber die 63 Partnerbetriebe haben ihre eigenen Produkte, da will ich nicht in Interessenskonflikte geraten oder gar jemandem etwas aufzwingen, das er überhaupt nicht will. Der Parameter für unsere Partner ist es, Top-Qualität und Top-Dienstleistung abzuliefern – das ist das Einzige, was ihnen vorgegeben ist.

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