Carrosserie- und Fahrzeugbau

Unter der Lupe: die «i3»-Carrosserie von BMW

bmw i3 b

Für knapp 40 000 Franken zu haben: der neue BMW-Stromer «i3» (Fotos: BMW Group).

 

 

Von Jürgen Klasing

 

BMW hat im Werk Leipzig seine Tore für die Medien geöffnet und interessante Details über die beim brandneuen Elektroauto «i3» verwendeten Materialien (CFK- und Aluminium) verraten. carwing.ch war in der ersten Reihe dabei.

 

Um das Mehrgewicht der elektrischen Komponenten zu kompensieren, setzt BMW sowohl beim «i3» als auch den nachfolgenden «i»-Modellen konsequent auf Leichtbau und einen neu definierten Fahrzeugbau: Die Stromer bestehen aus einem Life- (Fahrgastzelle) und Drive-Modul (Fahrgestell mit Antriebseinheit). Das Life-Modul ist hauptsächlich aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff (CFK) gefertigt.

 

Der Einsatz des leichten und crashsicheren Hightech-Werkstoffs wird in der Serienproduktion erstmalig bei BMW umgesetzt. Bisher galt die Verwendung von CFK-Material als zu teuer, die Verarbeitung und Fertigung als zu aufwändig. Die Produktion der Karbonfaser-Fahrgastzelle des Life-Moduls kommt ohne die klassischen Produktionsschritte aus einem Stahlblech-Presswerk und der Lackiererei aus. Die Fertigungsverfahren der einzelnen Bauteile sind einfacher, weil statt klassischem Schweissen, Clinchen oder Löten nur das Kleben in High-Tech-Ausführung zur Anwendung kommt.

 

 

Life-Modul entsteht in Leipzig

Die produzierten CFK-Verbundbauteile aus dem Leipziger Presswerk und die angelieferten CFK-Teile aus Landshut werden in der neuen Carrosseriebauhalle zusammengefügt. Die Grundform des Life-Moduls entsteht aus rund 150 Teilen, das sind im Vergleich zum Stahlblechbau ein Drittel weniger. Zusätzlich werden zwischen einzelnen CFK-Bauteilen, die zum Seitenrahmen oder Schweller zusammengesetzt werden, Verstärkungen aus Kunststoff oder Stahl eingeklebt. Sie sind nicht sichtbar und befinden sich in crash-relevanten Zonen, an den Tür- oder Deckelaufnahmen und an Knotenpunkten von Schweller und A- oder C-Säule.

 

Fügen = Kleben: Die einzelnen CFK-Bauteile werden mit automatisierter Klebetechnik verbunden und im Fügeprozess bis auf einen Klebespalt von 1,5 Millimeter zusammengefügt. Im Life-Modul werden insgesamt 160 Meter Klebestrecke mit 20 Millimeter Breite eingebracht. Um die Aushärtezeit der Klebeverbindungen zu minimieren, wird ein neu entwickelter Klebstoff eingesetzt, der nur noch 90 Sekunden nach dem Auftragen bearbeitet werden kann – nach 90 Minuten ist er hart.

 

Der Klebeprozess wird vollautomatisch durchgeführt, wobei zuerst eine Vorreinigung der Klebestellen durchgeführt wird. Die definierten Stellen am Bauteil sind nach dem Zuschnitt durch Sandstrahlen leicht aufgeraut worden, um eine grössere Klebstoff-Kontaktfläche zu erzielen. Mit Robotertechnik werden dann die Bauteile an der Reinigungsstation vorbeigeführt, bevor der Auftrag des 2K-Klebstoffes beginnt.

 

Zu einem bestimmten Zeitpunkt werden die Verstärkungen aus Aluminiumblech im Innenraum der CFK-Zelle geklebt. Das sind das Fersenblech an der Rücksitzbank und die Sitzquerträger. Die einfachen Haltebolzen für den Innenraumteppich, Konsolen- und Steuergerätebefestigungen werden ebenfalls direkt auf das CFK-Material mit Sekundenkleber angebracht.

 

Montage in Leipzig
In der Montagehalle kommt es zum Zusammenbau mit dem aus dem Werk Dingolfing gelieferten Alu-Drive-Modul. Es gleicht einer Bodengruppe, die das Fahrwerk mit Achsen und Bremsanlage mit Alu-Druckgussträgern aufnimmt. Hinten wird zusätzlich das Antriebsmodul befestigt, bestehend aus Elektromotor und Getriebe. In der Mitte der Bodengruppe, direkt unter der CFK-Zelle, wird später das Batterie-Modul montiert.

 

Wenn das Drive-Grundmodul komplett ist, kann es mit einer Schraub-Klebe-Verbindung untrennbar mit dem Life-Modul verbunden werden. Danach erhält die innere CFK-Life-Modul-Zelle ihr äusseres Kunststoffkleid. Für die lackierte mehrteilige Aussenhaut kommen vorwiegend Thermoplast-Spritzgusskunststoffe zum Einsatz. Diese sind aus dem klassischen Fahrzeugbau bekannt – zum Beispiel als Front- oder Heckschürze, Schweller oder Kofferraumklappe.

 

Die farbigen Kunststoff-Formteile werden bei der Endmontage über spezielle Halterungen mit dem Life-Modul mit Schrauben und Clipsen verbunden. Dadurch ist beim Auswechseln eine kurze Reparaturzeit möglich.

 

Sicherheit und Crash
Schon während der Entwicklung des Elektromobil-Konzepts gab es einen intensiven Austausch mit Crashtest-Instituten. Insgesamt schafft die hochfeste Fahrgastzelle in Verbindung mit ihrer Kraftverteilung im Life-Drive-Modul die Voraussetzung für einen optimalen Insassenschutz.

 

Instandsetzung und Reparatur
Der BMW-Stromer ist mit einer geschraubten und/oder geklipsten Kunststoffbeplankung versehen. Kleine Rempler sollen so absorbiert werden. Grundsätzlich liegen die Instandstellungs-Kosten ähnlich hoch wie beim Modell 1er. Das im Serienprozess geschweisste Aluminiumstruktur-Drive-Modul soll in der Reparatur mit den «kalten» Reparaturmethoden «Kleben und Nieten» instandgesetzt werden.

 

Die Reparaturfähigkeit der CFK-Struktur des Life-Moduls stand schon von Beginn weg auf dem Entwicklungsplan. Reparaturlösungen wurden beispielsweise für den Seitenrahmen in mehreren Abschnitten definiert. Brauchts nach einem Seitencrash einen neuen Schweller, muss lediglich der Reparaturabschnitt «Schweller» mit einem patentierten Fräswerkzeug herausgetrennt werden. Dann wird das benötigte Schwellerbauteil aus dem Ersatzteil «Seitenrahmen komplett» entsprechend ausgetrennt und eingesetzt.

 

Anschliessend wird das Ersatzteil an den Trennstellen mit Reparaturelementen verbunden. Diese Arbeiten sollen laut Hersteller nur in autorisierten Werkstätten durchgeführt werden. Auf Grund der produktspezifischen Besonderheiten der Life- beziehungsweise Drive-Module wird es BMW-Reparaturzentren geben, in denen spezialisierte Mitarbeiter Fahrzeuge mit Beschädigungen an der Aluminium- oder CFK-Struktur instand setzen.

 

Die CFK-Produktion bei BMW läuft rund 

 

Kürzlich konnte carwing.ch im bayrischen Landshut die CFK-Produktion im dortigen BMW-Werk besichtigen. In der Produktionshalle wurde die Fertigung der CFK-Bauteile für die neuen BMW-Modelle i3 und i8 erklärt.

 

Aus zahlreichen zweidimensionalen Einzelteilen (Gelegen) entstehen hier in den Fertigungspressen fertige Carrosserie-Bauteile wie Seitenrahmen oder Türen.

 

Diese werden später im BMW-Werk Leipzig zur CFK-Fahrgastzelle (Drive-Modul) zusammengefügt.

 

Das Zuschneiden der CFK-Teile mit der Wasserstrahltechnik oder das Aufrauhen mittels Sandstrahltechnik für den Klebeprozess wurde ebenso detailliert erklärt wie der Injektionsprozess des Harzes in das Fasergewebe (RTM-Prozess).

Fazit
Betrachtet man den modularen Fahrzeug-Aufbau, ist diese Technologie wohl zukunftsweisend. BMW hat nicht nur ein neuartiges Fahrzeug für die Elektromobilität geschaffen, sondern auch Lösungen für das Laden der Batterie zuhause, in der Stadt oder im Fernverkehr erarbeitet.

 

Dennoch sind noch Fragen offen. Zum Beispiel in der Reparaturthematik. So sollten Kunststoffteile wie Kotflügel, Türblätter oder Stossfänger-Überzüge von qualifizierten Carrosseriewerkstätten problemlos gewechselt oder instand gesetzt werden. Bei einem Strukturschaden, also einer Beschädigung der CFK-Zelle, dürfte nur die autorisierte BMW-Werkstatt berechtigt sein, mit einem patentierten Fräser die CFK-Zelle zu öffnen und wieder mit einem Einleger zu schliessen. Trotz neuem Material und neuem Fahrzeugaufbau könnte auch hier das handwerkliche Geschick der Carrossiers eingesetzt werden.

 

Auf die Nachfrage, wie Schadensbilder eingeteilt beziehungsweise eingestuft sind, liess das Werk Leipzig ausrichten, dass es bereits Muster von Schadensbildern gäbe, die bei der Beurteilung helfen können. Im Zweifelsfall wird aber ein Spezialist zur Begutachtung des Fahrzeuges gerufen. Diesen Weg der Schadensanalyse kennt man auch von Lamborghini, die ihre Spezialisten «Flying Doctors» nennt.

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