Oldtimer

Rückblick auf die alten Modelle von Skoda – Heute: der «Sagita»

 

Das meistverkaufte Automobil von Skoda zwischen den beiden Weltkriegen war der Popular. Doch der 1934 vorgestellte Bestseller legte in der Folge bei Hubraum und Motorleistung, Abmessungen und Preis immer weiter zu. Damit eröffnete der Mittelklässler Raum für eine erschwinglichere Alternative: den 995 Popular Liduška – genannt «Sagitta» – mit wassergekühltem Vierzylinder. Die Entwicklung begann 1936 mit speziellen Prototypen, bei denen der böhmische Hersteller mit ungewöhnlichen Antrieben experimentierte. Zwei «Sagita»-Modelle sind erhalten geblieben.

 

Ein Auto konnten sich in den 20er Jahren nur wenige Bürger leisten. Dies lag einerseits an den sehr geringen Produktionszahlen und andererseits an der hohen Besteuerung, welche die Nachfrage zusätzlich dämpfte. Als im Herbst 1929 die Weltwirtschaftskrise hinzukam und die Aufbruchstimmung der «Goldenen 20er» abkühlte, spitzte sich die Lage weiter zu. Skoda war auf diese Zäsur vergleichsweise gut vorbereitet: Das 1895 von Václav Laurin und Václav Klement gegründete Unternehmen hatte Monate zuvor in Mladá Boleslav ein Werk mit Fliessbandproduktion in Betrieb genommen und konnte entsprechend preisgünstig fertigen. Die Entwicklung der neuen Modellgeneration mit deutlich leichterem Zentralrohrrahmen und fortschrittlicher Einzelradaufhängung, die grösseren Fahrkomfort bei gleichzeitig geringerem Wartungsbedarf boten, begann im Sommer 1932 unter der Leitung von Josef Zubatý im Prager Stadtteil Letňany.

 

Ingenieur Zubatý probierte verschiedene Motorkonzepte aus, obwohl der böhmische Autohersteller seit 1906 viel Erfahrung mit wassergekühlten Reihenvierzylinder-Viertaktern gesammelt hatte. Dennoch entstand im Januar 1933 alternativ ein luftgekühlter V2-Viertakter mit 750 bis 800 cm3 Hubraum, der rund 16 PS leistete. Im Juni debütierte mit dem Skoda 112 ein Prototyp, dessen Hinterräder von einem 500 cm3 grossen Zweitakt-Einzylinder-Heckmotor angetrieben wurden. Damit nicht genug: Im Herbst folgte ein weiterer luftgekühlter V2-Viertakter mit 850 cm3 Hubraum und im September ein V2-Zweitakter. Doch auch dieser Typ 222 konnte die Firmenleitung nicht überzeugen. Für weitere Versuche gab sie im Oktober 1933 wiederum einem Viertaktkonzept grünes Licht. Dies führte schliesslich zum Prototyp 215 mit einem 804 cm3 grossen und 15 PS starken Reihen-Zweizylinder.

 

Für das neue Serienmodell hingegen, den 1933 vorgestellten 420 Standard, hatte sich erneut der laufruhige, wirtschaftliche und zuverlässige Viertakt-Vierzylinder durchgesetzt. Ebenso wie der im Februar 1934 eingeführte 418 Popular verfügte er über einen Hubraum von 902 Kubikzentimeter. Ab April 1934 ergänzte der Skoda 420 Popular mit 995 cm3 grossem und 22 PS starkem Vierzylinder das Programm. Obwohl die Herstellung dieser Motoren rund 650 Kronen mehr kostete, konnte Skoda das neue Fahrzeugkonzept zu einem Preis anbieten, der es mit den Zweizylindermodellen der Mitbewerber aufnahm. Obwohl qualitativ deutlich hochwertigere Materialien eingesetzt wurden, sank der Neupreis des 418 Popular gegenüber dem vergleichbaren Vorgängermodell – dem viersitzigen Standard – dank der effizienten Fliessbandfertigung von 29 800 auf 18 800 Kronen.

 

Dennoch war der Popular mit einer stattlichen Aussenlänge von bis zu vier Metern immer grösser geworden und auch in den einfacheren Varianten noch zu teuer, um breite Kundenkreise anzusprechen. Bei Skoda nahmen Pläne für ein kleineres, günstigeres Fahrzeug Gestalt an, das eine echte Massenmotorisierung auslösen sollte – in Form der sogenannten Sagitta-Prototypen, deren lateinischer Name für «Pfeil» stand und damit auf das Markenlogo verwies. Wann genau ihre Entwicklung begann, lässt sich heute im Archiv zwar nicht mehr präzise nachvollziehen, anhand anderer Aufzeichnung wird das Projekt aber auf die Jahre zwischen 1936 und 1938 datiert. Dafür stehen die Abmessungen des Kleinwagens fest: Bei einem Radstand von 2,1 Metern waren die Versuchsfahrzeuge 3,4 Meter lang, 1,32 Meter breit und 1,42 Meter hoch.

 

Ein erster Versuchsträger stand im April 1936 auf den Rädern. Mit Zentralrohrrahmen und vier einzeln aufgehängten Rädern mit querliegenden, halbelliptischen Blattfedern setzte er auf das inzwischen bewährte Konzept. Welche Carrosserie dieser Prototyp trug, ist nicht mehr bekannt. Ihm folgten auf jeden Fall zwei Cabrios, ein Zweitürer mit vier vollwertigen Sitzen statt einer 2+2-Anordnung und vier Coupés, die sich unter anderem durch seitliche Schiebe- oder Senkfenster voneinander unterschieden. Ähnlich wie beim Popular bildeten ihre Dreiganggetriebe mit dem Verteilergetriebe an der Hinterachse eine fortschrittliche «Transaxle»-Einheit – erst später setzte sich dieses Layout durch, etwa für teure Sport- und Rennwagen. Im Skoda Popular und Sagitta bescherte es dem Fahrer und Beifahrer eine grössere Beinfreiheit und senkte den Fahrzeug-Schwerpunkt.

 

Dass dieses Transaxle-Prinzip obendrein auch noch die Traktion verbesserte, kam als weiterer Pluspunkt auf den seinerzeit zumeist unbefestigten, schlammigen oder sandigen Strassen und Wegen hinzu – obwohl der Sagitta mit seiner schmalen Spurbreite ohne Differenzialgetriebe auskam, drehten die 16-Zollräder selbst auf Schnee deutlich weniger durch. Die präzise Zahnstangenlenkung trug ebenfalls zur leichten Beherrschbarkeit bei. Leer wog der Sagitta nur 580 Kilo, voll besetzt durften es bis zu 860 Kilo sein.

 

Unter der Motorhaube, die sich gemeinsam mit dem Kühlergrill öffnete, verrichteten die Zweizylinder-Viertakter (V2) aus dem Versuchsprogramm des Ingenieurs Zubatý ihren Dienst – jetzt mit SV-Ventilsteuerung, 844 cm3 Hubraum und einer Leistung von 15 PS, die sich bei 3000 Umdrehungen einstellte. Anders als sonst bei Skoda üblich, waren sie luft- statt wassergekühlt und besassen einen Vierblatt-Ventilator aus Leichtmetall sowie je ein Kapillar-Thermometer hinter den gerippten Zylinderköpfen. Ihre für die Testfahrer gut erkennbaren Anzeigen wurden am Armaturenbrett angebracht, das wiederum jenem des Popular ähnelte. Anstelle der ursprünglich verwendeten Zenith 26 VEH-Vergaser kamen die moderneren Solex BFRH zum Einsatz. Sie verfügten bereits über einen Luftfilter, der aus einem mit Öl getränkten Drahtgitter bestand. Das Vorwärmen des Ansaugkrümmers durch Abgase erleichterte das Anlassen des Motors. Das elektrische Bordnetz basierte auf einem 6-Volt-System des schweizerischen Spezialisten Scintilla. Als Höchstgeschwindigkeit erreichte der Prototyp 70 km/h, der Durchschnittsverbrauch pendelte sich bei 5,5 Litern auf 100 Kilometer ein.

 

Zwei Exemplare des seltenen Sagitta befinden sich heute im Besitz des Skoda-Museums in Mladá Boleslav. Das umfangreich restaurierte, in braun-metallic lackierte Coupé ist fester Bestandteil der ständigen Ausstellung. Es besitzt Schiebefenster in den Seitentüren – eine durchdachte Lösung, die ohne Fensterkurbeln auskommt und so das Raumgefühl auf Ellbogenhöhe verbessert. Ein weiteres Coupé-Modell wartet im Museumslager auf seine Wiedererweckung. In Serie gingen die gefälligen Kleinwagen zwar nicht, ihren Zweck erfüllten sie trotzdem: Viele Elemente inklusive der Motoranordnung längs vor der Vorderachse und dem Kühlergrill, der zusammen mit der Motorhaube hochklappte und damit Arbeiten am wassergekühlten Vierzylinder erleichterte, fanden ihren Weg in den ab November 1938 gebauten 995 Popular Liduška. Der wurde trotz seines aufwändigeren, 995 cm3 grossen und 22 PS starken Motors und der 400 Millimeter längeren Karosserie zu einem echten Preis- und Verkaufsschlager: Skoda verlangte für ihn nur 17 300 Kronen ohne Umsatzsteuer. Bis 1946 liefen 1478 «Liduska»-Exemplare vom Band.

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